Bezirksregierung Köln
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Datum: 20.10.2000 [handschriftlich geändert, vorher 25.04.2000]
Schutzausweisungen; hier: Naturschutzgebiet "Buntsandsteinfelsen im Rurtal zwischen Heimbach und Kreuzau" Bezug: Ihre im Anhörungsverfahren vorgetragenen Anregungen und Bedenken
Anlagen: - 1 -
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Verfahren zur Ausweisung des Naturschutzgebietes "Buntsandsteinfelsen im Rurtal zwischen Heimbach und Kreuzau" haben mich eine Vielzahl von Anregungen und Bedenken erreicht.
Über die am häufigsten vorgetragenen Kritikpunkte und die dazu von mir angestellten Erwägungen soll Sie das beigefügte Protokoll informieren.
Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag
gez. Laroche
(Oppermann) [handschriftlich gestrichen]
ANLAGE ======================
Ergebnis
der Auswertung von Anregungen und Bedenken der Eigentümer und sonstiger Berechtigter zum Naturschutzgebiet "Buntsandsteinfelsen im Rurtal zwischen Heimbach und Kreuzau"
1) Verstoß gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
Ein Verstoß gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist nicht gegeben. Das für Eingriffe der öffentlichen Hand in verfassungsmäßig geschützte Rechte des einzelnen geltende Übermaßverbot besagt, dass das angewendete Mittel nicht stärker sein und der Eingriff nicht weiter gehen darf, als der Zweck der Maßnahme dies rechtfertigt.
Die Regelungen der Naturschutzverordnung, die die Kontrolle des Zugangs zu den Kletterfelsen zum Gegenstand haben, halten sich im Rahmen des Übermaßverbotes. Zweck der Verordnung ist es, das ökologisch wertvolle und schutzbedürftige Gebiet der Buntsandsteinfelsen zu erhalten. Um diese Zwecksetzung zu erreichen, ist das grundsätzliche Kletterverbot verhängt worden. Gerade um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen, gilt das Kletterverbot nicht generell, sondern ist abgestuft angeordnet.
Auch die in Rede stehende quantitative Zugangskontrolle wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht. Verfolgt wird mit der Zugangskontrolle das Ziel, Erhaltung des schutzwürdigen Gebietes und kletterliche Nutzung miteinander zu vereinbaren. Die Zugangskontrolle ist evidentermaßen ein geeignetes Mittel zur Umsetzung dieses Ziels.
Die Maßnahme ist auch erforderlich. Eine andere Maßnahme, die das Regelungsziel in demselben Umfang erreichen kann wie die Zugangskontrolle, die Betroffenen aber in geringerem Umfang beeinträchtigt und andere öffentliche oder private Interessen nicht oder jedenfalls nicht stärker beeinträchtigt, steht nicht zur Verfügung. Dies gilt auch für die Steuerung der Anzahl der Kletterer durch Kontrollgänge der zuständigen Behörde. Zwar würden durch diese Form der Zugangskontrolle die Kletterer weniger stark belastet als durch die vorhandene Regelung. Die repressive Methode der Zugangssteuerung ist jedoch zur Erhaltung des Naturschutzgebietes weniger geeignet als die geltende präventive Kontrolle. Nachträgliches Einschreiten im Falle des Überschreitens der Höchstzahl zugelassener Kletterer birgt nämlich die Gefahr, dass der Schaden, zu dessen Abwendung die Verordnung erlassen worden ist, bereits eingetreten ist, wenn die Behörde eingreift. Dem gegenüber bietet die präventive Kontrolle die Gewähr, dass die Zahl der zugelassenen Kletterer im Rahmen des für die Natur erträglichen bleibt.
Auch unter dem Aspekt der Proportionalität hält die Regelung den Anforderungen stand. Abzuwägen ist auf der einen Seite die grundrechtlich verbürgte Handlungsfreiheit der betroffenen Kletterer, zu der auch die Freiheit zählt, in der Freizeit nach dem eigenen Willen sportlich aktiv zu sein. Dem gegenüber steht die ebenfalls Verfassungsrang genießende Pflicht des Staates die natürliche Lebensgrundlage zu schützen. Die in Rede stehende Vorschrift stellt keinen übermäßigen Eingriff dar, da es sich lediglich um eine Ausübungsregelung handelt. Es handelt sich nicht um die generelle Untersagung der bergsteigerischen Nutzung des Geländes, sondern lediglich um eine quantitative Beschränkung. Dies stellt angesichts der hohen naturschützerischen Bedeutung des geschützten Gebietes eine zumutbare Beschränkung der Grundrechtsausübung für den einzelnen dar.
Abgesehen von diesen rechtlichen Gesichtspunkten bietet die Zugangskontrolle den Vorteil, die Kletterer selbstverantwortlich an den Schutz des auch von kommerziell agierenden Veranstaltern (Eifeltouristik Club aktiv etc.) genutzten Gebietes zu beteiligen. Die differenzierten Lösungen werden im Rahmen von verträglichen Detailregelungen und intelligenten Lenkungsmaßnahmen zwischen der Stadt Nideggen als Eigentümerin und den Vertragspartnern geregelt. Es können somit Erfahrungsprozesse auf der örtlichen, pragmatischen Überlegungen zugänglich Rechtssetzungsebene in Abstimmung mit der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Düren berücksichtigt werden. Die hier in Rede stehende Naturschutzverordnung ist aufgrund ihres vergleichsweise hohen Abstraktionsgrades nicht das für die Regelung örtlicher Einzelprobleme geeignete Instrument.
2) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Ein Verstoß der Regelungen zur Ausübung des Klettersportes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor.
Eine unzulässige Ungleichbehandlung liegt nicht in Bezug auf die Regelungen vor, die sich mit der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung befassen. Die insoweit vorliegende "Begünstigung" beruht auf den bundes- und landesrechtlichen Vorgaben (§ 8 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz, § 4 Abs. 4 Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen) , die die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft, die Jagd und die Fischerei (soweit sie nach der sog. "Guten fachlichen Praxis" betrieben werden) nicht als Eingriffe in Natur und Landschaft bewerten. Diese rechtliche Privilegierung ist Folge grundgesetzlicher Wertsetzung im Hinblick auf die Grundrechte auf' Eigentum und Gewerbefreiheit (Art. 14 Grundgesetz) und freie Berufswahl (Art. 12 Grundgesetz). Freizeitsportarten wie das Klettern genießen nicht diese verfassungsrechtliche garantierte, einfach gesetzlich ausgeformte Bevorzugung gegenüber den Belan gen des Natur- und Landschaftsschutzes.
Bereits diese gesetzlichen Vorgaben schließen demnach die erwünschte Gleichbehandlung der sportlichen und der landwirtschaftlichen Nutzung aus. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass angesichts der speziellen Biotopstruktur der Naturfelsen Nutzungskonflikte mit der Land- und Forstwirtschaft gar nicht oder kaum auftreten können. Insoweit ergeben sich keine Regelungsbedürfnisse. Solche Interessenkonflikte sind jedoch hinsichtlich der kletterlichen Nutzung durchaus vorhanden. Folgerichtig versucht die Verordnung mit ihren Regelungen diese Interessenkonflikte aufzulösen. Angesichts des Befundes, dass nur im Hinblick auf das Klettern Regelungsbedarf besteht, ist keine Ungleichbehandlung festzustellen.
Auch soweit die Unterhaltung und Wartung von Anlagen, Leitungen, Verkehrswegen etc. von den Verbotsregelungen unberührt bleiben, liegt hinsichtlich der Regelung des Klettersports keine Ungleichbehandlung vor. Insoweit ist von Bedeutung, dass diese Nutzungen rechtmäßig zugelassen sind. Dagegen sind die Kletterrouten in der Umgebung der Naturfelsen weder durch die zuständigen Behörden zugelassen noch durch die Eigentümerin (Stadt Nideggen) in einem ordentlichen Verfahren (Befreiung gem. § 69 Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen, Zustimmung o.ä.) in irgendeiner Form legalisiert worden. Die illegale Nutzung der Kletterfelsen verbietet die Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ("Keine Gleichbehandlung im Unrecht").
Zur Erläuterung ist noch auf folgende Aspekte aufmerksam zu machen:
Optimierungsmaßnahmen Diese Maßnahmen umfassen insbesondere konkrete Biotoppflege- und Artenschutzmaßnahmen für gefährdete Tierarten (z.B. Sukezessionlenkung, Biotopstrukturverbesserung, Vergitterung von Fledermausquartieren etc.); die Besucherlenkung durch zeitliche und zahlenmäßige Kenngrößen (Kletterer/pro Tag und Route) ist mit den Optimierungsmaßnahmen i.e.S. gemeint.
Aussichtspunkte Die Naturschutzverordnung unterscheidet Erholungs- und Naturerlebnisbelange deutlich vom Sportklettern. Diese Trennung ist in den örtlichen Gegebenheiten anhand den unterschiedlichen intensiven Aktivitäten auf Wanderwegen und Kletterrouten zu beobachten. Durch öffentlich geförderte Maßnahmen der Eigentümerin (Stadt Nideggen) werden Aussichtspunkte und schutzwürdige Felsstrukturen räumlich und logistisch voneinander getrennt. Diese Maßnahmen können nicht Gegenstand der Verordnung sein. Deren Durchführung bleibt nachfolgenden Abstimmungsverfahren zwischen der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Düren und der Stadt Nideggen vorbehalten.
FFH-Problematik Zu beachten ist die Bedeutung der Buntsandsteinfelsen als seltenes Ökosystem im Sinne der FFH-Richtlinie. Eine weitergehende Freigabe von Naturfelsen zum Klettern wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit aller Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen die FFH-Richtlinie und als solches mit dem Risiko entsprechender Sanktionen verbunden. Es steht zweifelsfrei fest, dass die Praxis des Sportkletterns in diesen FFH-relevanten Felsgruppen zu Störungen und damit zu erheblichen Beeinträchtigungen im Sinne der FFH-Richtlinie führen kann. Diese Gefahr besteht bei ruhiger Erholungsnutzung in ausgewiesenen Bereichen und auf gekennzeichneten Wanderwegen nicht. Für diese naturverträglichen Erholungsformen werden in den nächsten Jahren erhebliche Fördersummen für die Stadt Nideggen zur Verfügung gestellt, um entsprechende Lenkungsmaßnahmen (z.B. Hinweistafeln, Info-Stände, Öffentlichkeitsarbeit etc.) durchzuführen.
3) Anzweiflung des LÖBF-Gutachtens
Das Gutachten der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW (LÖBF) ist in einem Zeitraum von ca. 4 Jahren durch zahlreiche Experten erarbeitet worden und von den wissenschaftlichen Mitarbeitern der LÖBF in eine redaktionelle Zusammenfassung gebracht worden. Selbst wenn sich die privaten Einwender mit den Einzelaussagen nicht zufrieden geben können oder wollen, ist für die Gesamtabwägung der Belange die fachneutrale Beurteilung durch die Mitarbeiter der LÖBF von wesentlicher Bedeutung. Es besteht kein Anlass für die Vermutung, dass bei der wissenschaftlichen Bearbeitung des LÖBF-Gutachtens die Fakten willkürlich zu Lasten des Klettersportes negativ interpretiert oder verzerrt worden sind. Im Gegenteil hat sich gezeigt, dass das im Auftrag des DAV durch das Büro Ness erstellte Gutachten, die Buntsandsteinfelsen im Rurtal sachwidrig mit Wanderfalken-Erfahrungen aus dem süddeutschen Raum verglichen hat. Dieses Missverständnis ist in dem Experten-Kolloquium in Köln am 07.12.1998 offen diskutiert und von Herrn Ness zugegeben worden.
4) Klettersport - förderungswürdige Sportart
Die Anerkennung des Kletterns als förderungswürdige Sportart durch die Landesregierung wird grundsätzlich nicht bestritten oder in Zweifel gezogen. Nach der Landesverfassung von NRW gehört der Sport und der Umweltschutz zu den Staatszielbestimmungen. Der Klettersport gehört neben anderen sog. "Natursportarten " anerkanntermaßen zu einem wichtigen Bereich des öffentlichen Interesses. Sowohl die Interessen der Landeskultur und Erziehung als auch die Wechselwirkungen zwischen den ökologischen und ökonomischen Belangen in einem dichtbesiedelten Bundesland wie NRW müssen einer pragmatischen Lösung zugeführt werden. In diesem Zusammenhang wird auf die umfangreichen Materialien des Landesarbeitskreises Klettern und Naturschutz unter der Federführung des Landessportbundes verwiesen, der sich intensiv mit den landesweiten Dimensionen und Kletterinteressen auseinander gesetzt hat.
Aufgrund der spezielleren und örtlich sehr kleinräumig differenzierten Gegebenheiten ist eine weitergehende Freigabe des Klettersportes vor dem Hintergrund der jetzt vorliegenden Erkenntnisse nicht möglich. Sollten zu einem späteren Zeitpunkt weitergehende Informationen und Tatsachenfeststellungen vorliegen, die im Rahmen des in Aufstellung befindlichen Landschaftsplanes (LP) des Kreises Düren entscheidungserheblich sind, lassen sich diese Ergebnisse in dem vorgesehenen Verfahren des LP und der Abwägung durch den Kreistag des Kreises berücksichtigen.
5) Anreise zu entfernt gelegenen Klettergebieten
Die Anreise zu entfernt gelegenen Klettergebieten findet in den felsarmen Regionen in Norddeutschland ohnehin statt. Eine Verlagerung von Klettertourismus-Strömen in die großflächigen Kletterlandschaften der fränkischen Jura oder des Elbsandsteingebirges ist unabdingbar und aus der Sicht der Dürener Klettersektionen durchaus gewünscht.
6) Einbußen der Gastronomie
Die Einbußen der Gastronomie und der Zulieferer lassen sich nicht genau erfassen, da die konjunkturelle Tourismusentwicklung und die witterungsbedingte Besucherfrequenz im Rurtal erheblichen jährlichen Schwankungen unterliegen. Die Sportkletterer stellen nur einen relativ geringen Anteil der Tagestouristen im Rurtal dar.
Sie unterscheiden sich allerdings erheblich gegenüber den übrigen Erholungssuchenden durch andere Konsumgewohnheiten und sparsame Ansprüche an die Gastronomie (ggf. ein Kiosk in Nideggen, aber keine Restaurants, Hotels, etc.) . Wenn man die zahlungskräftigen Tagesgäste in den Ausflugslokalen in Nideggen befragt, erfährt man, dass diese Gäste eher wegbleiben, wenn das Aufkommen der Sportkletterer wieder ansteigen würde. Die Gastronomiebetriebe, die auf Erholungssuchende mit relativ "normalen" Konsumgewohnheiten ausgerichtet sind (gutes Essen, mittlere Preise, ruhiges Erholungsambiente etc.) kommen mit den gegebenen Verhältnissen zurecht. Eine einseitige Umsatzsteigerung um jeden Preis würde die wirtschaftlich wichtigere Zielgruppe der finanzkräftigen Tagestouristen vertreiben.
7) Einschränkung der Jugendarbeit
Die Ausbildung / Jugendarbeit ist im Rahmen der freigegebenen Felsgruppen ganzjährig möglich, zumal an Wochentagen nach den Schulzeiten und in den Ferienwochen die Anzahl der verfügbaren Tickets immer noch nicht ausgeschöpft wird. Die zeitlichen Engpässe an Wochenenden lassen sich nur durch eine rechtzeitige Anmeldung / Reservierung an den bekannten Stellen (Tankstelle / Rathaus Nideggen etc.) organisieren.
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