Jahrbuch des Kreises Düren 2000, S. 61-64
Egbert WilhelmNeue Wege im Naturschutz - von der Konfrontation zur Kooperation Von der Konfrontation, zur Kooperation, unter dieser Prämisse steht die Naturschutzstrategie der Unteren Landschaftsbehörde (ULB) des Kreises Düren. Nur auf diesen Wege ist in Zukunft eine bilaterale und konstruktive Zusammenarbeit zwischen Nutzer- und Schützerinteressen möglich. Bevor im folgenden auf die Kooperationsbemühungen im Zusammenhang mit dem Kanusport eingegangen wird, möchte ich einige grunsätzliche Ausführungen zur Freizeitnutzung im Rurtal vornehmen.
Die Nachfrage nach "naturbetonten" Freizeit- und Erholungsaktivitäten wird auch in Zukunft weiter steigen, d.h., dass daraus in vielen hierfür geeigneten Landschaftsräumen eine weitere Verschärfung der bestehenden Konflikte zwischen Naturschutz bzw. Landschaftspflege einerseits sowie Freizeit- und Erholungsaktivitäten andererseits resultiert. In besonderer Weise verdichtet sich dieser Konflikt in dem traditionellen Naherholungsgebiet des Mittleren Rurtales und der umgebenden Rur-Eifel im Kreis Düren in einer für Naturparke des Mittelgebirges typischen Weise. Ein hoher Gehalt naturnaher Biotopstrukturen (Felsen, Gewässerläufe, Hain[buchen]wälder etc.) bietet in gleichem Masse - und an gleicher Stelle! - Refugien und Ansiedlungspotentiale für hochgradig gefährdete Tier- und Pflanzenarten wie auch Attraktionen und Aktivitätsfelder für Freizeitsportler und Erholungssuchende. So dokumentiert sich die hervorragende Bedeutung des Mittleren Rurtales aus bio- und geoökologischer Sicht u.a. wie folgt in einem für Mittelgirgstäler idealtypischen Biotopkomplex:
· naturnahe Mittelgebirgsflüsse der Rur und Kall in Talmäandern mit Ufergehölzen, Hinweisen auf Biber- und Fischotter-vorkommen sowie z.B. Bruten von Wasseramsel, Eisvogel und Gebirgsstelze
· Staubecken mit Freiwasserflächen und Verlandungszonen als Schwimmvogelrast- und -brutplatz
· Buntsandsteinfelsen u.a. als Lebensraum gefährdeter Felspflanzen, Mauereidechsen, Wanderfalken und Uhu.
Dieser aus naturschutzfachlicher Sicht interessante Biotopkomplex macht die Besonderheit und den Reiz des Gebietes aus. So entwickelte sich, ausgehend von diesen landschaftlichen Attraktionen und in Verbindung mit kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten, ein überwiegend durch Tages- und Wochenendbesucher geprägtes Naherholungsgebiet, das in den vergangen Jahrzehnten zunehmend von modernen, oft sportorientierten Freizeitformen überlagert wurde. Die aktuelle Situation weist ein für Nordrhein-Westfalen traditionell bedeutsames Naherholungsgebiet mit einem vielfältigen Nutzungsmix auf, darunter vor allem:
· die Rur als einen der landschaftlich und sportlich attraktivsten Flüsse Westdeutschlands, deren Abschnitt infolge der Talssperrensteuerung zudem noch anfängergerecht ist,
· die Buntsandsteinfelsen als traditionelles Kletterrevier mit mittlereweile nationaler Bedeutung,
· eine "Massierung" von 5 Campingplatzkomplexen mit 13 Einzelbetrieben auf ca. 9 km Flusslauf (Heimbach bis Abenden) in einem schmalen Durchbruchstal sowie diversen Wochenendhaussiedlungen an den Hängen,
· die Rur und die Staubecken als hoch attraktive Fischereireviere (Fliegenfischen bzw. Angeln vom Boot aus),
· dichte Wegenetze und sehr gute Fernstrassenanbindung einschliesslich einer Talbahn zur gezielten Tourismusförderung, (vgl. Viebahn & Sell, Rahmenplan Landschaftsverträgliche Freizeit- und Erholungsnutzung, Mittleres Rurtal, Kreis Dueren, 1997)
Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre bestanden in diesem traditionellen Naherholungs- und Natursportgebiet mit Tendenz zur Kurzzeiterholung starke ökologische Übernutzungssymptome und eine allgemein hohe Konfliktdichte, die insbesondere in Verbin-dung mit mit einer stärkeren Kommerzialisierung der Freizeitaktivitäten zu sehen ist. Die damit einhergehenden Belastungen für die Bewohner des Rurtals sowie für Natur- und Landschaft erforderte eine Gegensteuerung, insbesondere im Hinblick auf bestimmte spartenbezogene Nutzungen.
Anfang 1992 wurde seitens der Unteren Landschaftsbehörde bezüglich des Kanusportes ein Arbeitskreis eingerichtet, in dem u.a. neben Vertretern des organisierten Kanusportes, der Kommunen, zuständiger Fachbehörden und Naturschutzverbänden auch kommerzielle Kanusportanbieter einbezogen wurden. Intention war, eine Konfliktminderung über freiwillige Selbstbeschränkung (Reduzierung der Anzahl an Kanus und Fahrten) vorzunehmen. Leider führten mehrere Arbeitsgespräche insbesondere wegen kommerzieller Anbieterinteressen nicht zu den erhofften Ergebnis. Aufgrund der hohen ökologischen Bedeutung dieses markanten, naturnahen Flusstalmäanders nahm die Bezirksregierung Köln Ende 1992 eine einstweilige Sicherstellung des Rurtales als Naturschutzgebiet vor. Die Sicherstellung hat zur Folge, dass daraus für den Kanusport einschneidende Einschränkungen resultierten, die weder von den Kanuverbänden noch von der Kreisverwaltung Düren mitgetragen wurden. Neben den Erfordernissen des Naturschutzes bezüglich der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit bzw. Gefährdung des Biotops waren auch die Ansprüche der Kanusportler, die schon seit Jahrzehnten ihre Sportaktivitäten auf der ca. 14,5 km langen Rur zwischen Heimbach und Obermaubach durchführten, zu berücksichtigen.
Als Ergebnis zahlreicher Gespräche zwischen der Bezirkregierung Köln, den betroffenen Städten und Gemeinden und dem Deutschen Kanu- und Landesverband wurde ein Pacht- und Nutzungsvertrag abgeschlossen und damit ein neuer Weg zu einer landschaftsverträglichen Freizeitnutzung beschritten.
Die Vereinbarung sieht vor, dass im geschützten Gebiet "Ruraue von Obermaubach bis Heimbach" das Befahren der Wasserfläche mit Kanus bei ausreichendem Wasserstand in der Zeit vom 15. Juli bis 28. Februar auf der Grundlage eines genehmigten Pacht- und Nutzungsvertrages, der Anzahl, Zulassung und Verhalten der Nutzungsberechtigten im Sinne des Schutzzweckes der Verord-nung zum Inhalt hat, möglich ist. Die vertraglichen Fixierungen des Pacht- und Nutzungsvertrages wurde im Lauf der Jahre praxisbezogen korrigiert.
So wurde z.B. auf die Ausgabe von Startwesten und die Einhaltung eines Stundentaktes verzichtet, wobei aber die Obergrenzen von max. 100 bzw. 120 Booten/Tag am Wochenende beibehalten wurden. Besonders ist dabei herauszustellen, dass der nordrhein-westfälische Landeskanuverband (LKV) als Vertragspartner in der Zeit vom 15. Juli bis 30. Oktober die Umsetzung der diffe-renzierten Vertragsregelung vor Ort betreut und überdies die Gesamtlogistik (Anmeldung, Ausgabe von Tickets etc.) während des Befahrungszeitraumes zwischen dem 15.7. und 28.02. gewährleistet.
Durch Jahresgespräche unmittelbar vor Saisonbeginn zwischen dem LKV und der Unteren Landschaftbehörde ist es in den letzten Jahren gelungen, bezüglich der technischen bzw. infrastrukturellen Erfordernissen (z.B. "Ausbesserung von Kanuanlegestellen" oder der Informationsarbeit) eine Verfeinerung und Anpassung vorzunehmen, die für beide Seiten mit einer Effektivierung und Transparenz der Kanusportregelung verbunden ist. Nach ca. 5 Jahren Erfahrung hat sich mittlerweile eine Regelung etabliert, die sowohl bezüglich der vertraglichen Punkte als auch der kooperativen Zusammenarbeit zwischen dem Landeskanuverband, den örtlichen Naturschutzverbänden und der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Düren als ein auf andere Regionen im Bundesgebiet übertragbares Modell gesehen werden. Die positiven Ergebnisse des "Dürener Modells" sollen auch auf Bereiche von Ems bzw. Sieg übertragen werden. Anzumerken sei noch, dass die Jugendabteilungen der Kanusportvereine Boich/Thum und Eschweiler auch im Zeitraum zwischen dem 01.03. und 14.07. einmal wöchentlich mit maximal 20 Booten die Rur (zügig) befahren dürfen. Diese Vereinbarung, ein Zugeständnis aus ökologischer Sicht, das durch die Landesanstalt für Ökologie mitgetragen wird, dient dazu, die aktive Jugendsportarbeit der beiden ortsansässigen Vereine nicht zu gefährden. Über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus bemüht sich die Untere Landschaftsbehörde um einen intensiven und konstanten Meinungs- und Informationsaustausch mit dem Landeskanuverband, der auch in laufende Planungen und Projekte einbezogen wird. So wurde der Landschaftsplan-Entwurf Kreuzau/Nideggen (Rur liegt im Geltungsbereich) dem LKV mit Bitte um Stellungnahme zugesandt, obwohl formal der LKV nicht als Träger öffentlicher Belange zu beteiligen ist. Desweiteren wurde ein, von der Unteren Landschaftsbehörde initiiertes, bundesweites Modellvorhaben "Rahmenplan landschaftsverträgliche Freizeit- und Erholungsnutzung Mittleres Rurtal Kreis Düren" auch dem Kanuverband zur Verfügung gestellt. Gesamtziel dieser Rahmenplanung ist, die Funktionsfähigkeit als "Naherholungsgebiet" zu erhalten und qualitativ zu entwickeln und damit einen wesentlichen Beitrag sowohl für den Naturschutz als auch für den nachhaltigen Tourismus zu leisten. Die Besonderheiten und Werte der Landschaft sollen dabei durch ein intelligentes, geschlossenes Informationssystem überzeugend vermittelt und erlebbar gemacht werden ("Naturerlebnisqualität").
Mit der Realisierung eines "Naturerlebniszentrums Heimbach", voraussichtlich bis Ende 1999, ist damit ein wichtiger Schritt, auch im Sinne eines nachaltigen, ressourcenschonenden und sanften Tourismus, der wirtschaftlich ergiebig und gleichzeitig sozial und umweltverantwortlich ist, eingeleitet worden. Weitere Bausteine (z.B. Entdeckungs- und Lehrpfade, Erlebnisspielplätze, "Grünes Klassenzimmer" sowie landschaftliche Biotopentwicklungsmassnahmen) sind in den nächsten Jahren beabsichtigt und dokumentieren, dass die ULB auch in diesem Bereich neue Wege geht, die sowohl den Naturschutz als auch dem "sanften" Tourismus letztlich zugut kommt.
Fazit
Die v.g. Ausfuehrungen sollen ansatzweise, wenn auch hier nicht im Detail ausgeführt, belegen, dass es darauf ankommt, einen möglichst frühzeitigen und umfassenden Dialog zwischen den sogenannten Nutzer- und Schützerinteressen zu initiieren sowie konstruktive Lösungsansätze zu suchen und Konflikte zu minimieren. Dass sich eine solche Vorgehensweise in der Praxis teilweise sehr schwierig gestaltet, liegt neben sachlich kontroversen Auffassung oftmals auch an fehlender Dialogbereitschaft, Akzeptanz und Konsensbereitschaft der Beteiligten.
Ich hoffe, dass der Landeskanuverband und die Untere Landschaftsbehörde des Kreises Düren den jetzigen positiven Weg im Sinne einer kooperativen und konstruktiven Zusammenarbeit weiterhin beschreitet.
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