Dürener Zeitung, 16.10.08 Kontrolle ist besser - auch in den Felsen Nideggen. Eine Eidechse huscht in der Herbstsonne über den warmen Sandstein. Und Olivier. Der 26-jährige Hamburger studiert in Aachen, zum Klettern fährt er in die Eifel. Im Effels hat er heute seinen Sportplatz gefunden. In T-Shirt, weiter Hose und Schuhen mit griffiger Gummsisohle hangelt er sich in niedriger Höhe von Griff zu Griff. In Boulder-Manier ohne Seilsicherung auf Absprunghöhe. Immer wieder fasst er in einen kleinen Beutel, der an seinem Gürtel baumelt: Magnesia. Das weiße Pulver, das auch von Turnern am Gerät benutzt wird, erhöht die Reibung der Finger am blanken Fels. In der Eifel darf es nicht benutzt werden. Aber das wird von vielen Sportkletterern geflissentlich ignoriert. Nebenan arbeitet sich ein Sportler die «Zitrone» hoch, eine anspruchsvolle Route für Könner. Auch er benutzt selbstverständlich Magnesia - und hält sich damit nicht an die Spielregeln. Die werden von einem Mann im Auftrag der Stadtverwaltung ehrenamtlich überwacht. Dietrich Weidenhaupt (65) kennt rund um die Burg jeden Stein. Seine Pappenheimer im Fels kennt er auch. Kletterer, kommst Du in die Eifel, dann geh' zur Tankstelle. Der erste Weg der Alpinisten führt in Nideggen zu den Zapfsäulen. Da gibt es außer Sprit auch die Eintrittskarten für Natursportler: das Tageskletterticket. Jugendliche bis 14 zahlen 1,50 Euro, Erwachsene einen Euro mehr. Dafür dürfen sie einen Tag lang klettern. Die Zahl der Kletterer ist auf 150 pro Tag limitiert. Heute sind am frühen Nachmittag schon 94 in den Felsen. Effels, Hirtzley im Jungholz und die Hinkelsteine 1 bis 4 im Rather Wald sind die Wände, die seit behördlicher Reglementierung im Jahr 2004 noch für Sportler freigegeben sind. Das macht nur noch knapp 15 Prozent aller Nideggener Felsen aus. Zuvor gab es zirka 1200 Kletterrouten. In anderen Städten sind Politessen Falschparkern auf der Spur, in Nideggen wacht ein ehrenamtlich tätiger Mitarbeiter der Stadtverwaltung darüber, dass niemand auf Abwegen klettert. Nahezu täglich ist Dietrich («Harry») Weidenhaupt in dieser Mission in der Umgebung von Nideggen unterwegs. Vor Jahren noch teilten sich drei Männer diese Aufgabe, inzwischen macht der ehemalige Post-Mitarbeiter den Job allein - und sitzt dabei gelegentlich zwischen allen Stühlen. Weidenhaupt bemüht sich um einen verbindlichen Ton. «Sie haben doch sicher ein Ticket», ruft er halb fragend den jungen Leuten in der Wand zu. Und wenn das «Jawoll» einigermaßen überzeugend zurück schallt, dann verzichtet der 65-Jährige auf den Nachweis. Weidenhaupt weiß, dass er sich in einem konfliktträchtigen Umfeld bewegt. Zu groß ist noch der Ärger mancher Sportler über die Sperrung vieler Routen. Doch die meisten begegnen dem nicht immer geliebten Kontrolleur freundlich bis kumpelhaft. Die meisten. Im Effels ist heute viel Betrieb. Junge Leute «bouldern» in einem überhängenden Fels. Sie sind mit Freundin, Kind und Kegel gekommen. Der Hund ist auch dabei. Dietrich Weidenhaupt plaudert mit den jungen Leuten, dann geht's weiter. Und aus ist es mit der guten Laune. «Hau ab!», brüllt ein Mann, als Weidenhaupt um die Ecke biegt. Der 65-Jährige kennt den Rabauken, der offenbar auf Konfrontation aus ist. «Der Mann ist ein Kandidat für einen Platzverweis», meint der Kontrolleur nur trocken - und bleibt gelassen. Er erinnert sich an die Anfänge seiner ehrenamtlichen Kontrolltätigkeit. Damals war er regelmäßig in Begleitung eines Polizeibeamten unterwegs. Und manches Protokoll wurde geschrieben. Heute lassen sich Ordnungsamt und Polizei nur noch sporadisch in den Felsen blicken. Personalmangel, heißt es zur Begründung aus dem Rathaus. Und: Weidenhaupt habe die Sache ja im Griff. Pro Jahr sind etwa 6000 bis 8000 Kletterer allein in Nideggen im Sandstein unterwegs. Von 5800 im Jahr 2004 ist die Zahl auf 8000 im vergangenen Jahr gestiegen. Bis Ende September waren es in diesem Jahr schon 5800. Und die Rufe nach einer Lockerung der Kletterverbote werden lauter. Dabei werden die Alpinisten von prominenter Seite unterstützt. In die politische Diskussion mischt Dietrich Weidenhaupt sich nicht ein. «Ich habe meine eigene Meinung zu dem Thema», sagt er: Aber die dürfe bei seiner Arbeit keine Rolle spielen. Bei seinen Kontrollgängen kann der Mann freilich konsequent sein. «Wenn ich jemanden ohne Ticket erwische, und der kommt mir auch noch dumm», sagt Weidenhaupt, «dann darf der zur Tankstelle laufen.» Doch Harry kann auch nett sein. Für alle Fälle hat er ein paar Tickets in der Tasche.
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